„Ich möchte gerne wieder hierher zum Arbeiten kommen“, das ist Jenny Richters direktes und freudestrahlendes Fazit von ihrem „Schichtwechsel“. Sie ist Beschäftigte des Vördewerks, der Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) der LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven. Für einen Tag hat sie ihren Arbeitsplatz in der Wäscherei Vörde-TEX jedoch getauscht und das Team der MAPA GmbH verstärkt. Konkret arbeitete die Bremervörderin in der Kondom-Herstellung. Begleitet wurde sie vor Ort von Patrick Brandt, Abteilungsleiter Produktion Health Care und Mischungsherstellung Medizinprodukte. Los ging der Tauschtag in Zeven mit einem Rundgang zu den verschiedenen Stationen der Kondom-Produktion. Ein Schritt kam der Beschäftigten der Wäscherei dabei bekannt vor: Denn Waschmaschinen kommen auch dort zum Einsatz – zum Nachbearbeiten der Gummis.
Anschließend arbeitete Jenny Richter zusammen mit zwei Mitarbeiterinnen an der Verpackungsmaschine. Eine von ihnen ist Michelle Tams, der der gemeinsame Tag viel Spaß gemacht hat: „Ich bin sehr zufrieden mit Jenny. Sie ist eine gute Kollegin!“ Anderer Betrieb, andere Arbeitsschritte und ein anderes Team – all das war kein Problem für Jenny Richter. Trotz der verständlichen Aufregung packte sie tatkräftig mit an und meisterte die Aufgaben konzentriert und mit einem Lächeln. „Es war eine sehr schöne Erfahrung und ich habe viele wirklich tolle Menschen heute kennengelernt“, berichtete sie. MAPA-Mitarbeiter Patrick Brandt war ebenfalls froh über seine „Kollegin für einen Tag“: „Die Aktion ist eine super Idee. Ich habe auch privat Bezug zur LEBENSHILFE und war von Anfang an von dem Arbeitsplatz-Tausch begeistert. Die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen ist ein wichtiges Thema und verdient viel mehr öffentliche Aufmerksamkeit. Ich hoffe, wir konnten hiermit etwas dazu beitragen.“
Aktionstag mit Rekordbeteiligung
Der Tausch zwischen der LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven und der Zevener Firma fand im Rahmen des Aktionstages Schichtwechsel statt. Dabei tauschen Menschen mit und ohne Behinderungen für einen Tag ihren Arbeitsplatz und alle Beteiligten können in den direkten, persönlichen Austausch gehen. Koordiniert wird der Schichtwechsel auf Bundesebene von der BAG WfbM (Bundesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen). Entwickelt wurde die Aktion im Jahr 2017 von den 16 Berliner Werkstätten und der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen Berlin.
In diesem Jahr nahmen laut BAG WfbM rund 4.200 Menschen am Schichtwechsel teil, darunter mehr als 2.400 Werkstatt-Beschäftigte mit Behinderungen und rund 1.800 Mitarbeitende aus Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Das sind so viele Menschen wie noch nie. Ziel des Aktionstages ist es, dass Werkstatt-Beschäftigte Berufsfelder und Unternehmen des allgemeinen Arbeitsmarktes kennenlernen können. Mitarbeitende aus den teilnehmenden Unternehmen wiederum sollen Einblicke in die Werkstätten erhalten, an deren vielseitigen Arbeitsprozessen mitwirken und auch mehr von der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen erfahren. Durch das verbindende Thema Arbeit will der Aktionstag Begegnungen und Raum für neue Perspektiven schaffen und damit mehr Teilhabe ermöglichen.
Nachhaltige Eindrücke
Im Tausch für Jenny Richter arbeitete Daniel Langer, Schlosser bei der MAPA GmbH, wiederum einen Tag im Bremervörder Vördewerk der LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven. Zum einen lernte er die Werkstatt-Arbeit beim Team der Fahrzeugaufbereitung „Sauber-Eck“ kennen. „Am Anfang war es ungewohnt für die Beschäftigten. Doch nach der Vorstellung ist das Eis gebrochen und Daniel wurde direkt an die Hand genommen, ihm wurden die verschiedenen Arbeitsschritte gezeigt und er hat sich richtig gut eingebracht“, lächelt Gruppen-Leitung Alina Schneider. Zum anderen bekam der „Kurzzeit-Kollege“ von einem Beschäftigten aus dem Montage-Bereich eine Führung durch die anderen Werkstatt-Gruppen. So erhielt Daniel Langer noch weitere Einblicke in den Alltag des Vördewerks und konnte sich mit den Beschäftigten und Mitarbeitenden persönlich austauschen.
„Ich habe das Gefühl, dass es in unserer Gesellschaft derzeit viel Unzufriedenheit gibt. Ich kann dies manchmal nicht nachvollziehen, weil ich selbst ein sehr positiver Mensch bin. Deshalb fand ich die Möglichkeit richtig klasse, die mir der Schichtwechsel geboten hat. Dadurch konnte ich in direkten Kontakt mit Menschen mit Behinderungen treten, die täglich mit Barrieren aller Art zu kämpfen haben. Es war eine tolle neue Erfahrung zu sehen, was die Beschäftigten hier leisten und wie sie ihren Alltag meistern“, erzählte Daniel Langer von seiner Motivation. Nach Feierabend ging er mit spannenden Eindrücken und Erlebnissen nach Hause, die ihn nachhaltig beschäftigen werden. Der nächste Schichtwechsel findet übrigens am 25. September 2025 statt. Öffentliche Einrichtungen oder Unternehmen aus der Region, die Interesse haben, künftig daran teilzunehmen, melden sich bitte beim Fachdienst berufliche Teilhabe der LEBENSHILFE Bremervörde/Zeven unter: fdbt@lhbz.de. Das Team organisiert den Aktionstag beim Vördewerk.
Mehr Infos zum Aktionstag auf Bundesebene gibt es unter: www.bagwfbm.de/page/schichtwechsel
